{"id":2214,"date":"2020-03-01T19:48:18","date_gmt":"2020-03-01T19:48:18","guid":{"rendered":"http:\/\/communitysupported.org\/?p=615"},"modified":"2024-12-14T10:42:53","modified_gmt":"2024-12-14T10:42:53","slug":"was-ist-communitybasiertes-wirtschaften-und-csx","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/csx-netzwerk.de\/en\/was-ist-communitybasiertes-wirtschaften-und-csx\/","title":{"rendered":"Was ist eigentlich \u201egemeinschaftsgetragenes Wirtschaften\u201c und \u201eCSX\u201c?"},"content":{"rendered":"
Autorin: Mona Knorr<\/p>\n\n\n\n
Diesen Artikel habe ich am 1. M\u00e4rz 2020 erstmals ver\u00f6ffentlicht. In der Zwischenzeit haben wir die Seite gemeinschaftsgetragen.de<\/a> auf die Beine gestellt – die erkl\u00e4rt das gemeinschaftsgetragene Wirtschaften anschaulich und wird laufend aktualisiert und erweitert.<\/em> Dieser Blogbeitrag gibt also nicht mehr den aktuellsten Stand der Diskussion wieder, und ich empfehle dir, auf jeden Fall noch die neue Website zu besuchen.<\/em><\/p>\n\n\n\n Sowohl beim \u201ecommunitygetragen Wirtschaften\u201c (oder “gemeinschaftsgetragenen Wirtschaften”) als auch bei \u201eCSX\u201c geht es im Grunde darum, nach den Prinzipien zu wirtschaften, die in der Solidarischen Landwirtschaft schon erfolgreich praktiziert werden. Solidarische Landwirtschaft hei\u00dft auf Englisch \u201eCommunity Supported Agriculture\u201c (CSA) \u2013 und jetzt ahnst Du sicher schon, wo beide Begriffe ihren Ursprung haben.<\/p>\n\n\n\n CSAs funktionieren nach dem Prinzip \u201eKosten und Ernte teilen\u201c. Eine Gruppe Verbraucher*innen finanziert auf ein Jahr die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebes und bekommt daf\u00fcr die Ernte. Die landwirtschaftlichen Produkte werden dadurch nicht mehr am Markt gehandelt und haben auch keinen Preis mehr. Wenn du das Prinzip gut kennst, kannst du direkt weiterlesen \u2013 wenn nicht, empfehle ich dir, kurz r\u00fcberzuspringen auf den Artikel <\/em>\u201eWas ist eigentlich Solidarische Landwirtschaft?\u201c<\/em><\/a> und ihn zuerst zu lesen.<\/em><\/p>\n\n\n\n Dieses Prinzip ist auch auf auf andere Bereiche \u00fcbertragbar \u2013 und da sind es vor allem zwei Modelle, mit denen ich mich haupts\u00e4chlich besch\u00e4ftige: Dem CSX-Modell von Marius Rommel<\/strong> und dem \u201egemeinschaftsbasierten Wirtschaften nach dem Myzelium-Prinzip\u201c<\/strong>. Ich stelle dir beide hier in Kurzform vor und erg\u00e4nze anschlie\u00dfend noch meine eigenen Ideen, die \u2013 \u00dcberraschung \u2013 aus dem Thema Crowdfunding gespeist sind. <\/p>\n\n\n\n CSX oder communitybasiertes Wirtschaften finde ich \u00fcbrigens deshalb so spannend, weil es momentan das meiner Meinung nach einzige Modell ist, das eine Antwort auf die fehlgeleitete Wachstumsdynamik und globale Entgrenzung unseres aktuellen Wirtschaftssystems ist. Und die f\u00fchrt bekanntlich zu einer massiven Ausbeutung von Ressourcen jeglicher Art, zu Ungleichheiten und Entfremdungserfahrungen.<\/p>\n\n\n\n Marius Rommel hat 2017 in seiner Masterarbeit \u201eZukunftsf\u00e4hige Wirtschaftsgemeinschaften (CSX) \u2013\u00dcbertragung der CSA-Logik auf andere Versorgungsfelder\u201c den Begriff CSX erstmals gepr\u00e4gt. CS bedeutet \u201eCommunity Supported\u201c, das X steht f\u00fcr \u201eandere Versorgungsfelder\u201c. <\/p>\n\n\n\n Die Masterarbeit ist <\/em>hier<\/em><\/a> online verf\u00fcgbar und sehr lesenswert \u2013 meine Zusammenfassung ist daher sehr verk\u00fcrzt und gibt vor allen Dingen nicht das Forschungsdesign wieder.<\/em><\/p>\n\n\n\n Marius ist in seiner Arbeit davon ausgegangen, dass CSAs durch bestimmte Strukturmerkmale gekennzeichnet sind, die in ihrer Kombination einzigartig sind – und hat deshalb versucht, durch Analyse von CSA-H\u00f6fen diese Strukturmerkmale herauszufiltern. Motiviert hat ihn dabei die Hypothese, dass CSAs eine soziale Innovation sind, die uns helfen k\u00f6nnen, das, was momentan in unserer Wirtschaft schief l\u00e4uft, zu \u00fcberwinden. Au\u00dferdem ist er davon ausgegangen, dass sich diese Strukturmerkmale \u00fcbertragen lassen auf andere Versorgungsfelder (z.B. Handwerk, verarbeitendes Gewerbe, Dienstleistungen) \u2013 und dass andere Unternehmensformen von den Erfolgsfaktoren der CSA-H\u00f6fe lernen k\u00f6nnen. <\/p>\n\n\n\n Das Ergebnis der Arbeit ist ein erstes CSX-Modell, das momentan Grundlage f\u00fcr die Etablierung weiterer CSX-Strukturen ist, das aber auch stetig weiterentwickelt wird. Marius hat es in Kreisform dargestellt und dabei obligatorische und optionale Strukturmerkmale getrennt. Die Zick-Zack-Linien zeigen an, dass diese Merkmale in verschiedenen Organisationen unterschiedlich stark ausgepr\u00e4gt sein k\u00f6nnen. Bei den obligatorischen Merkmalen muss es jedoch einen Mindestgrad an Auspr\u00e4gung geben \u2013 das ist der Halbkreis im unteren Teil. Die gestrichelten Linien zwischen den Merkmalen verweisen auf die Beziehungen der Merkmale untereinander \u2013 und dass sie sich oftmals gegenseitig bedingen.<\/p>\n\n\n\n Obligatorische Merkmale:<\/strong><\/p>\n\n\n\n Optionale Merkmale:<\/strong><\/p>\n\n\n\n Punkte, die in dem Modell noch nicht aufgef\u00fchrt sind, die man aber noch erg\u00e4nzen k\u00f6nnte, sind: Internalisierung aller Kosten, faire Bezahlung mit Blick auf die gesamte Wertsch\u00f6pfungskette, bed\u00fcrfnisorientierte Betriebskostendeckung, kulturelle Pluralit\u00e4t, Beziehungsaufbau und -erhalt, Verantwortung teilen\/Mitverantwortung \u00fcbernehmen (da sind wir noch nicht am Ende der \u00dcberlegungen). <\/p>\n\n\n\n Das Modell von Marius wurde \u00fcbrigens 2019 von Sophie L\u00f6bbering<\/a> in ihrer Masterarbeit auf das B\u00e4ckerhandwerk angewendet. Im Zuge der Erstellung von gemeinschaftsgetragen.de<\/a> wurde das Modell weiterentwickelt.<\/p>\n\n\n\n Michaela Hausdorf und Timo Wans von Myzelium<\/a> haben einen, in meinen Auge, st\u00e4rker praxisorientierten Ansatz entwickelt, denn die beiden haben in den letzten anderthalb Jahren schon einige Initiativen mit ihrem Ansatz zur Gr\u00fcndung verholfen. Michaela arbeitet parallel dazu noch an einer Doktorarbeit \u00fcber die Rolle von Communities im Gr\u00fcndungsprozess, Timo besch\u00e4ftigt sich als Wirtschaftssoziologe schon eine ganze Zeit mit solidar\u00f6konomischen Modellen.<\/p>\n\n\n\n Das Myzelium-Prinzip orientiert sich am Modell der Solidarischen Landwirtschaft Trier. Auch in diesem Ansatz \u00fcbernimmt eine Community die Kosten eines Anbieters\/einer Anbieterin f\u00fcr ein Jahr, sprich: Eine Community finanziert den ben\u00f6tigten Umsatz f\u00fcr ein Jahr aus. Ein Beispiel daf\u00fcr habe ich dir im Artikel \u00fcber das Mabon-Kollektiv <\/a>vorgestellt \u2013 und es gibt auch ein kurzes Video von Michaela, das den Ansatz erk\u00e4rt<\/a>.<\/p>\n\n\n\n F\u00fcr Michaela und Timo sind zwei Werte zentral: Kooperationsf\u00e4higkeit aller Beteiligten und Solidarit\u00e4t unter allen Beteiligten. Sie gehen davon aus, dass sowohl Anbieter*innen als auch Kund*innen soziale und finanzielle Bed\u00fcrfnisse haben, die erf\u00fcllt werden m\u00fcssen. Durch die \u201e\u00e4lteste App der Menschenheit\u201c, das pers\u00f6nliche Gespr\u00e4ch, werden diese Bed\u00fcrfnisse ausgetauscht. Sie sind die Grundlage f\u00fcr den a) ben\u00f6tigten Umsatz und b) das Angebot. <\/p>\n\n\n\n Dieser ben\u00f6tigte Umsatz wird in einer Bietrunde solidarisch unter allen Mitgliedern der Community aufgeteilt, so dass Menschen mit unterschiedlichen Budgets an einem Projekt teilhaben k\u00f6nnen. Gleichzeitig sind die Menschen mit dem Anbieter\/der Anbieterin solidarisch und teilen das unternehmerische Risiko mit ihm\/ihr. Das Resultat sind Gesch\u00e4ftsmodelle, die sich an den Bed\u00fcrfnissen aller Mitglieder orientieren, ohne Ausbeutung von Ressourcen und ohne Profitsteigerung \u2013 und ohne, dass die Anbieter*innen ihr Angebot am Markt platzieren und sich den Marktmechanismen unterwerfen m\u00fcssen. Die Gr\u00fcndungen nach dem Myzelium-Prinzip sind trotzdem unternehmerisch, d.h. die Anbieter*innen ben\u00f6tigen unternehmerisches Denken, eine hohe Kommunikationsf\u00e4higkeit und eben Kooperationsbereitschaft. Das Ziel ist ganz klar nicht, Ehrenamtsstrukturen aufzubauen, sondern fair bezahlte Jobs zu schaffen.<\/p>\n\n\n\n Was mir an dem Ansatz besonders gut gef\u00e4llt, ist, dass die Initiative zur Gr\u00fcndung von den Anbieter*innen ausgeht und diese auch im gemeinschaftsbasierten Unternehmen ein hohes Ma\u00df an Gestaltungsspielraum behalten. Sie schaffen und gestalten das Angebot und sind verantwortlich f\u00fcr die Community. Der Begriff \u201eCommunity Supported Entrepreneurship\u201c, den auch Marius in seiner Masterarbeit verwendet hat, passt hier m.E. ganz gut. <\/p>\n\n\n\n Das ist eigentlich meine Lieblingsfrage, weil sie mich dazu motiviert hat, \u00fcber dieses Thema zu bloggen. Denn als Crowdfunding-Spezialistin w\u00fcrde ich die steile These wagen, dass es einige Projekte schaffen, durch Crowdfunding ein Unternehmen aufzubauen, das sehr stark von einer Community getragen wird. Dass die unterschiedlichen Beitr\u00e4ge, die man zu einem Projekt beisteuern kann, einer Bietrunde \u00e4hnlich sind, dass Kostentransparenz herrscht, dass Unterst\u00fctzer*innen zu Prosument*innen werden und das unternehmerische Risiko mittragen, indem sie z.B. helfen, ein Projekt vorzufinanzieren. Von daher vertrete ich gerne die Meinung, dass jedes Projekt, dass sich \u00fcber Crowdfunding Gedanken macht, also eine Community mit in das Projekt holen will, schon einen ersten Schritt in Richtung CSX geht.<\/strong> Und ich w\u00fcrde mir w\u00fcnschen, dass noch mehr dar\u00fcber nachdenken, diesem einen Schritt weitere folgen zu lassen. <\/p>\n\n\n\n Danke an Sophie f\u00fcr die Anmerkungen zum Text.<\/em><\/p>\n\n\n\n[Der Artikel erschien zuerst auf dem mittlerweile aufgel\u00f6sten Blog communitysupported.org und wurde im Juli 2021 leicht gek\u00fcrzt, aber nicht aktualisiert auf diesen Blog \u00fcbertragen.]","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Autorin: Mona Knorr Diesen Artikel habe ich am 1. M\u00e4rz 2020 erstmals ver\u00f6ffentlicht. In der Zwischenzeit haben wir die Seite gemeinschaftsgetragen.de auf die Beine gestellt – die erkl\u00e4rt das gemeinschaftsgetragene Wirtschaften anschaulich und wird laufend aktualisiert und erweitert. 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Das CSX-Modell von Marius Rommel<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
Merkmale f\u00fcr CSX<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften nach dem Myzelium-Prinzip<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
Kooperation & Solidarit\u00e4t<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
Die Initiative geht von den Gr\u00fcnder*innen aus<\/strong><\/h3>\n\n\n\n
Und gibt es auch etwas zwischen CSX und klassischen, marktorientierten Unternehmen?<\/strong><\/h3>\n\n\n\n