Autorin: Mona Knorr
Kosten und Ernte teilen – das ist das Grundprinzip von Solidarischer Landwirtschaft, kurz Solawi. Auf Englisch heißt das CSA = Community Supported Agriculture. Die Übersetzung mit „solidarisch“ ist nicht so ganz genau, deshalb nennen sich einige solcher Projekte auch lieber „gemeinschaftlich getragene Landwirtschaft“ (z. B. die Ackerilla in Leipzig). Unterstützt wurde ich beim Schreiben dieses Artikels von Stephanie Wild vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft, die mir noch ein paar Hintergrundinfos mitgegeben hat. Vielen Dank dafür!
Wie funktioniert eine Solawi/CSA?
In einer Solawi übernimmt eine Gruppe privater VerbraucherInnen die Kosten für eine Landwirtschaft (einen Hof oder Gemüsebaubetrieb) und bekommt dafür die (gesamte) Ernte und ggf. weiterverarbeitete Produkte des Betriebes. Meist werden die Kosten am Anfang der Saison vorgestellt und solidarisch unter allen Mitgliedern der Verbrauchergruppe in Bietrunden aufgeteilt, die sich damit verpflichten, monatlich einen festen Betrag an den Betrieb zu zahlen. Die Ernte wird dann regelmäßig am Hof oder über Abholstationen an die Mitglieder verteilt – i. d. R. beteiligen sich die Mitglieder aktiv an dieser Verteilung oder organisieren sie komplett selbst. Eine Solawi ist also eine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen VerbraucherInnen und ErzeugerInnen, die Kosten, Verantwortung, Risiko und Ernte teilt.
Sicherheit und Wertschätzung
Die Erzeugerinnen haben dadurch Planungssicherheit für eine ganze Saison und meist auch darüber hinaus, weil viele Mitglieder über mehrere Jahre Teil einer CSA bleiben. Sie wissen, dass sie AbnehmerInnen für ihre Ernte haben und nichts wegschmeißen müssen, gleichzeitig sind alle Kosten gedeckt, inklusive der Löhne. Die ErzeugerInnen sind unabhängig vom Markt und müssen sich nicht mehr dessen Preisen und Mechanismen beugen, so dass sie mehr Wert auf nachhaltige Bewirtschaftung, Humusaufbau, Artenschutz und soziales Miteinander legen können. Das sind laut Stephanie auch die Gründe, warum bestehende Betriebe auf das Solawi-Modell umstellen – die Wertschätzung für die eigene Arbeit, das unmittelbare Feedback und die Sicherheit, dass die Arbeit bezahlt ist. So sei es schon vorgekommen, dass Höfe erstmal nur einen Teil auf Solawi umstellen wollten – und nach kurzer Zeit und den positiven Erfahrungen komplett auf das neue Modell wechselten. Was mir besonders gut an Solawi gefällt: Die einzelnen Lebensmittel haben keinen Preis mehr, sondern einen Wert. Ich zahle nicht nur für Produkte, sondern unterstütze mit meinem Betrag ein ganzes Projekt, eine andere Art von Landwirtschaft und bin Teil einer Gemeinschaft an einem Ort.
Das Solidaritätsprinzip
„Die Ernte teilen“ bedeutet, dass man auch sowohl gute als auch schlechte Ernten teilt. Jeder, der Mitglied einer Solawi ist, hatte sicher schon eine Salat- oder Gurken“schwemme“ in seiner Kiste, gleichzeitig gibt es Jahre, da sind nur sehr kleine Kartoffeln oder mickrige Möhren im Ernteanteil oder Kulturen fallen ganz aus. Auf dem normalen Markt würde die Bäuerin oder der Bauern für eine schlechte Ernte weniger Geld bekommen (oder bei einem Ernteausfall gar keines). Bei einer CSA sind die Zahlungen der Mitglieder dagegen an den Betrieb gekoppelt, nicht an die Menge und die Qualität der Produkte. Eine schlechte Ernte ist deshalb nicht existenzbedrohend. Solawis sind allerdings sehr vielfältige Betriebe, die viele Sorten Gemüse anbauen und auch weitere Produkte erzeugen, z. B. Milch, Käse oder Brot – die Ernteanteile sind daher auch bei einem Ausfall einzelner Kulturen nicht leer.
Solidarität herrscht in vielen Solawis auch unter den Mitgliedern. Die anonymen Bietrunden (verschiedene Varianten dafür sind hier zusammengestellt) ermöglichen es, dass jeder so viel Geld zum Projekt dazugibt, wie er oder sie zur Verfügung hat – Hauptsache, alle Beiträge zusammen decken die vorgestellten Gesamtkosten. Solawis, die keine Bietrunden machen, sondern einen festen Mitgliedsbeitrag haben, versuchen diesen Aspekt z.B. über „Soli-Kisten“ mit in ihr System zu integrieren.
Mich interessieren natürlich auch immer die Geschichten, in denen diese Solidarität nicht nur auf dem Papier steht, sondern gelebt wird – und da konnte mir Stephanie doch einige schöne Beispiele nennen, wie Mitglieder nach einem Hochwasser oder einer Pestizidabtrifft den Hof unterstützt oder beim Ausfall des Betriebsleiters sogar die ganze Arbeit für einige Zeit übernommen haben.
Solawis in Deutschland
Solawis sind verschiedenen groß – das Netzwerk hat kürzlich eine Erhebung dazu gemacht: In Deutschland gibt es momentan 31 Solawis bis 50 Mitglieder, 52 bis 100 Mitglieder, 46 bis 200 Mitglieder und 36 Solawis haben über 200 Mitglieder. Die größte Solawi ist das Münchner Kartoffelkombinat mit 1600 Mitgliedshaushalten (einer davon bin ich!). Es gibt aktuell übrigens 131 rein vegetarische Solawis mit Obst und Gemüse und 107, die auch tierische Produkte erzeugen. Nicht alle der Betriebe sind zu 100% Solawi – einige haben parallel noch eine Direktvermarktung, verkaufen beispielsweise im Hofladen, auf dem Wochenmarkt oder beliefern noch ausgewählte Restaurants. Die meisten Solawis wurden in den letzten 2-3 Jahren gegründet – es ist also davon auszugehen, dass viele noch ein ein bisschen wachsen werden und auch noch mehr dazukommen (hoffentlich!).
Das Netzwerk solidarische Landwirtschaft
Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft setzt sich dafür ein, das Prinzip der solidarischen bzw. gemeinschaftlich getragenen Landwirtschaft breiter bekannt zu machen. Es bietet Projekten außerdem vielfältige Unterstützung und fördert durch Regional- und Arbeitsgruppen die Vernetzung. Auf der Website kannst du außerdem nach Solawis in deiner Nähe suchen und in der Mediathek findest du noch weitere Informationen zum Thema CSA/Solawi. Auch wenn du nicht Mitglied in einer Solawi bist, aber die Idee der solidarischen Landwirtschaft unterstützen willst, kannst du Mitglied im Netzwerk werden.
[Der Artikel erschien zuerst auf dem mittlerweile aufgelösten Blog communitysupported.org und wurde im Juli 2021 auf diesen Blog übertragen. Die Zahlen wurden nicht aktualisiert.]