Autorin: Mona Knorr
Jan-Philipp Bleeke ist Winzer an der Mosel. Sein Traumberuf, für den er sich nach einem Auslandsaufenthalt in Neuseeland entschieden hat. Seine besondere Leidenschaft gilt den Steillagen in seiner Wahlheimat, und wer besondere Weine in besonderen Lagen anbaut, und das auch noch biologisch-dynamisch, der hat offenbar auch ein Faible für einen besonderen Vermarktungsweg: Jan möchte seinen Wein zukünftig im Rahmen einer Solidarischen Landwirtschaft produzieren.
Kosten und Ernte teilen – und Mit-Winzer*in werden
Solidarische Landwirtschaft, das heißt: Kosten und Ernte teilen. Und unabhängig sein vom Markt und seinem Preisdruck. Über Myzelium habe ich von Jans Projekt erfahren und Freitag früh viel länger als geplant mit ihm telefoniert. Was sehr schnell klar wurde: In seiner Wein-Solawi geht es um viel mehr als nur um die Ernte. Es geht um einen Dialog zwischen Winzer und Weintrinker*innen, um gemeinsames Lernen, um Austausch. Auch um Verständnis, Wertschätzung, um Geselligkeit und Beziehungen. Man wird als Mitglied von Jans Solawi quasi Mit-Winzer*in, und als Mit-Winzer*in trägt man dann auch einen Teil der Verantwortung und des Risikos mit. Wie in einer klassischen Solawi mit Gemüse oder Fleisch zahlt man einen monatlichen Beitrag, den man am Anfang der Saison in einer Bietrunde festlegt. Die Beiträge aller Mitglieder sichern dem Winzer die Betriebskosten für ein Jahr (inklusive seines Lohns). Die Mitglieder bekommen dafür die gesamte Ernte – und die fällt, je nachdem, wie die Saison läuft, eben besser oder schlechter aus.
Lernen und Teilhaben
Schon in den ersten 20 Minuten unseres Gespräches habe ich heute richtig viel gelernt. Über unterschiedliche Philosophien im Weinbau, über Spritzmittel, über Böden, Untersaat, Preisbildung. Ich habe die ganze Zeit weitergefragt und Jan hat geantwortet, mit viel Wissen, Erfahrung, Begeisterung – aber vor allem auch viel Augenhöhe. Denn ohne die, davon bin ich überzeugt, funktioniert das nicht mit dem Dialog. Sechs Workshops plant Jan für seine Mit-Winzer*innen, darunter Weinproben, Besuche auf anderen Weingütern, Mitarbeit bei der Weinlese und – ganz zum Schluss – die gemeinsame Abfüllung in Flaschen. Sechs richtig gute Gelegenheiten, Fragen zu stellen, sich einzubringen, selbst im Wingert zu stehen – und mit den Mit-Winzer*innen in Kontakt zu kommen. 25 Ernteteiler*innen braucht Jan für seine erste Saison, die nur der Anfang sein soll für weitere gemeinschaftsbasierte Projekte. Weitere Weinberge sind in Aussicht – und vor allem Steillagen, die Jan retten will, bevor sie komplett verwildern. In einem Jahr, das haben wir uns versprochen, gibt’s hier den Bericht über das erste Wirtschaftsjahr! Und wer weiß, vielleicht trinkt der ein oder die andere beim Lesen dann schon den ersten solidarisch produzierten Wein?
Edit: Im November 2020 ist über Jan die Dokumentation “Winzer ohne Weingut” entstanden.
Beide Fotos wurden mit von Jan-Philipp Bleeke zur Verfügung gestellt.
[Der Artikel erschien zuerst auf dem mittlerweile aufgelösten Blog communitysupported.org und wurde im Juli 2021 leicht gekürzt auf diesen Blog übertragen.]